„Recursion“ von Blake Crouch (ein wenig gespoilert)

42046112Titel: Recursion
Autor: Blake Crouch
Verlag: Crown Publishing Group

Inhalt:
Memory makes reality. That’s what New York City cop Barry Sutton is learning as he investigates the devastating phenomenon the media has dubbed False Memory Syndrome—a mysterious affliction that drives its victims mad with memories of a life they never lived.
Neuroscientist Helena Smith already understands the power of memory. It’s why she’s dedicated her life to creating a technology that will let us preserve our most precious moments of our pasts. If she succeeds, anyone will be able to re-experience a first kiss, the birth of a child, the final moment with a dying parent.
As Barry searches for the truth, he comes face-to-face with an opponent more terrifying than any disease—a force that attacks not just our minds but the very fabric of the past. And as its effects begin to unmake the world as we know it, only he and Helena, working together, will stand a chance at defeating it.

Meinung:
Blake Crouch geht in seinem neuesten Buch „Recursion“ von einer wissenschaftlichen These aus, die besagt, dass Erinnerungen unsere Realität erschaffen.

Crouch fragt sich in seiner Geschichte: „Was passiert, wenn man mit den Erinnerungen herumspielt? Was macht das mit unserer Realität?“ (Interview) Er geht dabei allerdings einen Schritt weiter und ermöglicht es seinen Figuren, in eine Erinnerung einzutauchen und die Zeit ab diesem Punkt noch einmal neu zu erleben und zu gestalten.

Dabei streift er Probleme, die auch im SciFi-Bereich immer wieder thematisiert werden: kann man wesentliche Ereignisse der Geschichte neu schreiben, was geschieht, wenn die Vergangenheit die Gegenwart trifft, in der alles begann?

Es ist ein wirklich interessanter Roman mit faszinierenden Gedankenspielen, die mich beim Lesen immer wieder herausgefordert haben. Auch die Charaktere haben ihre Schwierigkeiten, diesem neuen Konstrukt der Realität zu folgen und verstricken sich tief in emotionale Situationen, die sie an ihre Grenzen bringen. Sie versuchen, Leid zu verhindern, das ihnen in der Vergangenheit wiederfahren ist, neues Glück zu schaffen und am Ende die Welt vor sich selbst zu retten, was in einer rasanten Achterbahnfahrt endet.

„Recursion“ hat mich ausgesprochen gut unterhalten, allerdings gab es ein paar Dinge, die mich nicht ganz überzeugt haben:

  • die Sache mit der Zeitreise wird nicht gut erklärt, was hat es mit Stuhl und Tank auf sich, was passiert mit dem Körper des „Reisenden?“ Es fehlt eine schlüssige Erklärung für dieses Phänomen
  • im letzten Viertel des Buches wiederholen sich sehr schnell sehr viele der vorherigen Geschehnisse (in leichten Abwandlungen). Das ist zwar stimmig mit dem Aufbau der Story, wirkt aber auf mich als Leserin ein wenig zäh zum Ende hin

Ein ganz klein wenig störe ich mich zudem an der Titelwahl: wenn man es ganz genau nimmt, beschreibt dieser Plot eine Iteration und keine Rekursion.

„Als Rekursion (lateinisch recurrere ‚zurücklaufen‘) bezeichnet man den abstrakten Vorgang, dass Regeln auf ein Produkt, das sie hervorgebracht haben, von neuem angewandt werden.“ (Wikipedia)

„Iteration (von lat. iterare ,wiederholen‘) beschreibt allgemein einen Prozess mehrfachen Wiederholens gleicher oder ähnlicher Handlungen zur Annäherung an eine Lösung oder ein bestimmtes Ziel.“ (Wikipedia)

Hier gibt es am Ende einer Zeitschleife für unsere Protagonisten aufgrund ihrer Entscheidungen einen stets etwas anderen Ausgangswert, den sie dazu nutzen, in einer weiteren Zeitschleife ein wenig anders zu agieren, um ein neues Ergebnis zu erhalten: Stuhl ist gebaut, Rückreise, Protagonistin baut Stuhl nicht, aber ein anderer baut ihn (weil er sich z.B. an eine bereits erlebte Zeitschleife erinnert), Protagonistin versucht im nächsten Schritt, Bau des Stuhls auf andere Weise zu verhindern, usw….

Wäre es eine Rekursion müsste sie eigentlich den Stuhl immer wieder neu bauen, bis sie den Bau des Stuhls verhindern würde, also die gleichen Regeln wie zuvor anwenden.

Würde man das übrigens in einer Programmiersprache umsetzen, befänden wir uns in einer Endlosschleife und in der Informatik sollten sowohl die Iteration als auch die Rekursion eine Abbruchbedingung haben…

Mir ist schon klar, dass der Titel sich auf die Prämisse bezieht, dass Erinnerungen die Realität schaffen und die Realität neue Erinnerungen erzeugt, aber das ist eine Selbstreferenz. Eine Rekursion ist ein fester Begriff mit festen Bedeutungen und daher meiner ganz persönlichen Meinung nach hier schlecht gewählt.

Aber vermutlich wird das die meisten Leser nicht interessieren ;-)

Blake Crouch hat mit „Recursion“ ein spannendes Szenario entworfen, das lesenswert ist, aber ein paar Fragen offen lässt.

P.S.: Netflix hat sich bereits die Rechte am Buch gesichert.

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