
Titel: Und andere Formen menschlichen Versagens
Autor: Lennardt Loß
Verlag: Weissbooks
Inhalt:
„Ein Passagierflugzeug stürzt über dem Südpazifik ab. Unter den Passagieren, die nicht sofort ertrinken, ist die 22-jährige Marina Palm. Tagelang treibt sie, festgeklammert an einen Fenstersitz, auf dem Ozean. Dann erscheint am Horizont eine einsame Insel. 25 Jahre lang ist Marina verschollen. Und für den Leser bleibt sie es auch.
Lennardt Loß erzählt in seinem Debüt keine Robinson Crusoe Geschichte, sondern von Menschen, deren Lebenswege sich mit dem seiner Hauptfigur kreuzen. Da ist ein ehemaliger RAF-Terrorist, der die ersten zwei Tage mit Marina auf dem Ozean treibt. Oder ein neurotisches Handmodel aus Kanada, das auf Google Earth das Satellitenbild eines scheinbar unbewohnten Pazifikatolls entdeckt, auf dessen Strand HELP geschrieben steht. Marinas Vater, ein Bauunternehmer zwischen Größenwahn und Lächerlichkeit, ihre geltungssüchtige Mutter, die den Verlust der Tochter durch das Drehen eines Splatterfilms verarbeitet, und ihr Freund, ein Nachwuchsboxer, der mit Marinas Geschichte viel Geld verdient.“
Rezension
Dieses Buch war Teil meines Sommerlesestapels. Ich hatte zuvor weder vom Autor noch vom Titel etwas gehört, hab mich da aber ganz auf die Einschätzung meiner Buchhändlerin verlassen und bin offen und mit Neugier ans Lesen gegangen.
Der Aufbau
Bevor man mit dem Buch beginnt, sollte man sich bewusst machen, dass dies keine lineare Erzählung ist. Wir springen in der Zeit: von der Vergangenheit in die entferntere Zukunft, in die Vergangenheit, die nähere Zukunft,…
Allerdings gibt es in den einzelnen Kapiteln keine Cliffhanger, jedes ist eine kleine Geschichte für sich, was das Navigieren durch die Story erleichtert.
Die Figuren
Bei den Charakteren und der Einordnung ins Geschehen hatte ich anfangs so meine Schwierigkeiten, was aber daran lag, dass ich den Klappentext nur überflogen hatte.
Es beginnt mit Hannes Sohr, einem ehemaligen RAF-Terroristen und dem Absturz des Fliegers, in dem er sich gerade befindet, über dem Südpazifik. Er überlebt und trifft im Wasser auf Marina Palm. Nun nimmt die Geschichte eine seltsame Wendung und noch bevor man sich darüber wirklich Gedanken machen kann, springen wir mit dem nächsten Kapitel in eine andere Zeit und zu anderen Personen.
Ich dachte sehr lange, dass Hannes die Hauptfigur sei oder es sich zumindest um zwei Protagonisten handeln würde und erwartete, auch mehr über seine Backstory zu erfahren. Aber dem war nicht so.
Alles dreht sich um Marina und Menschen, die ihr nahe stehen oder deren Leben mit ihrem in irgendeiner Weise in Berührung kommen.
Einige Charaktere werden dabei sehr ausführlich vorgestellt mit all ihren seltsamen Eigenheiten, andere – wie der Junge, der den Hilferuf entdeckt oder der Kapitän des Kreuzschiffs, das die Insel ansteuert – bleiben eher blass.
Mein Leseeindruck
Ich fand die Struktur des Textes wirklich genial: wir haben es mit einer Hauptfigur zu tun, die nur im ersten Kapitel ein wenig zu Wort kommt und betrachten ansonsten den „Welleneffekt“, den ihr „Absturz“ auf andere Menschen hat.
Loß wirft hier also nicht einen Stein ins Wasser, der Wellen schlägt, sondern eine Figur und betrachtet dann, welche Kreise das zieht. Tolle Idee!
Man hätte – meiner Meinung nach – aber weniger Personen wählen und dafür die anderen stärker ausbauen können. Man hastet etwas durch den Text und es erinnert an eine amerikanische Soap, ohne dabei aber deren ausschweifende Länge zu haben. Das Buch ist kurz und bietet so nur kleine, wenn auch interessante Szenen.
„Und andere Formen menschlichen Versagens“ ist auf jeden Fall ein sehr lesenswerter Roman, der gut unterhält, allerdings hier und da ein wenig mehr Tiefgang hätte haben können.
Empfehlung.