Die Angst um schwindende Buchkäufe – der kulturelle Untergang?

grayscale photography of ladder near bookshelf
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Im Rahmen der Frankfurter Buchmesse liest man wieder vermehrt vom Schwinden der Leser oder vielmehr dem Schwinden der Buchkäufer. Die Angst geht um in den Verlagen. Ist das Buch noch zu retten? Tragen Netflix und Co. zum kulturellen Untergang bei?

Bücherfluten

Wenn ich mir so Statistiken im Netz betrachte, dann stelle ich fest, dass jährlich ca. 78.000 neue Titel auf dem klassischen Weg veröffentlicht werden, d.h. die Selfpublisher sind da nicht inbegriffen.

Es ist ja nun nicht so, dass die komplette Backlist mit Neuveröffentlichungen aus dem Handel verschwindet, also dürfte der Berg der käuflich zu erwerbenden Bücher von Jahr zu Jahr steigen.

Kosten

Gleichzeitig zieht auch der Preis ganz schön an.

Mein eReader sagt mir, dass die durchschnittliche Lesezeit für ca. 350 bis 400 Seiten bei 8 Stunden liegt. Legen wir noch etwas für ungeübte Leser drauf. Dann benommen diese für ca. 13 Euro (Taschenbuch) etwa 10 Stunden Unterhaltung.
Netflix kostet ca. 10 Euro im Monat und man kann locker bis zu 30 Stunden Unterhaltung rausschlagen.

Nur mal so gesagt.

Qualität

Sind Netflixinhalte qualitativ schlechter als Buchinhalte? Obwohl ich überzeugte Leserin bin und nur ausgesprochen selten Serien oder Filme schaue, kann ich guten Gewissens sagen: Nein, die Qualität ist nicht schlechter!

Natürlich gibt es viel Schund im Videobereich, aber den findet man vermehrt auch in gedruckten Werken.

Bildung

Leidet nun unsere Bildung, wenn immer mehr Menschen Streamingdienste nutzen oder Social Media den Vorzug gewähren?

Sehe ich nicht so.

Zum Einen gibt es in den Weiten des Webs unwahrscheinlich gute Infos, sei es nun auf YouTube, auf Webseiten, Blogs, Twitter, Facebook… und wer lediglich leichte Unterhaltung sucht, würde sich, sind wir mal ehrlich, auch keinen anspruchsvollen Wälzer zu Gemüte führen.

Zum Anderen wird deutlich mehr kommuniziert als früher! Und ja, für mich zählen WhatsApp und Snapchat zu guten Kommunikationskanälen – man bleibt mit anderen in Kontakt, man isoliert sich nicht (und verschwindet mit einem Buch im stillen Kämmerlein).

Ist das so viel schlechter?

Eine kränkelnde Branche

Die klassischen Verlage haben den Anschluss ans moderne Zeitalter verpasst, sitzen doch in vielen Männer Ü50 mit mehr Interesse an Umsätzen als an engagierten Lesern. Sie interessieren sich nicht für die Leidenschaften ihrer Käufer, sie wollen nur ihre Bücher verkaufen. Behaupte ich mal.
Man hätte schon viel früher das Internet nutzen sollen, um *Kontakt* zu seinen Käufern herzustellen, nicht nur, um seine Produkte an die Frau/den Mann zu bringen. Doch statt Communities aufzubauen, erfindet man nun serielle Stories (moderne Groschenromane), neuartige (haha) Leseempfehlungen und teure Apps, die jedoch nicht zum Mitmachen einladen.

Kultur ist, was man draus macht – jammern hat noch nie geholfen.

 

 

5 Antworten auf „Die Angst um schwindende Buchkäufe – der kulturelle Untergang?

  1. Ich bekomme langsam den Eindruck, dass Du nicht wirklich eine Freundin des stationären Buchhandels bist. ;-)

    Zu 1: Wir waren bei der Anzahl der jährlichen Neuerscheinungen auch schon mal bei über 85.000. Wie viele Bücher im Jahr neu erscheinen, hat nur leider offensichtlich keinerlei Auswirkungen darauf, wie viele auch verkauft werden. Man könnte auch sagen: Man hatte als Leser bei 78.000 Neuerscheinungen + Selfpublisher noch nie so viel Auswahl wie heute – und trotzdem gehen die Verkaufszahlen zurück.

    Zu 2: Wenn wir ausschließlich Kostenvergleiche anstellen, unabhängig davon, was man mit was vergleicht, dann vergleiche ich einfach mal die von Dir genannten 13 Euro für 10 Stunden Buch mit einer Kinokarte für einen zweistündigen Film für durchschnittlich 8,63 Euro im Jahr 2017. 1,30 Euro pro Stunde für das Buch gegen 4,32 pro Stunde für das Kino. Vergleiche ich Preise für Bücher mit Preisen für eine Sitzplatzkarte bei Werder gegen Leverkusen in Block 44 für 114 Euro, sieht es noch besser für das Buch aus. Ich könnte auch Vergleiche mit Theater-, Konzertbesuchen oder Kreuzfahrten anstellen, die aber alle einsam gemeinsam hätten: Sie hinken.

    Zu 3: Auch hier hinkt der Vergleich. Serien bei Netflix zu sehen, ist eine ganz andere Wahrnehmung als die Lektüre eines Buches. Bei beidem gibt es gutes und schlechtes. Ob eine schlechte Serie qualitativ besser oder schlechter ist als ein schlechtes Buch, lässt sich wohl kaum objektiv beurteilen.

    Zu 4: Ja, natürlich leidet die Bildung! Es ist doch ein Unterschied, ob ich lese – ganz gleich, welches Buch – oder ob ich mir das Foto des Schnitzels der Autobahnraststätte von Günther, dem Treckerfahrer bei Facebook ansehe. Das Eine vermittelt mir im Idealfall nicht nur einen Einblick in andere Welten, die ich selbst nie werde betreten können, es vermittelt auch Sprachkenntnisse, erweitert den Wortschatz, verbessert die eigenen Rechtschreibung. Das andere vermittelt mir – nichts. Dass die Abkehr vom Buch und die vermehrte Nutzung von Social Media und Ähnlichem nicht gut für die sprachliche Kompetenz ist, merkt man schon daran, wie einige Leute im Internet schreiben. Fernab jeglicher Rechtschreibregelungen und im Brustton der Überzeugung, dass das ohnehin vollkommen wurscht sei.

    Zu 5: Kann man Verlagseigentümern vorwerfen, wenn sie in Zeiten sinkender Absatzzahlen Umsatzoptimierung im Kopf haben? Und hat nicht der Kunde als solcher darauf auch einen großen Einfluss? War das Zufall, dass das Fantasy-Genre nach Stephenie Meyer mit halbgaren, qualitativ fragwürdigen Vampirromanen geflutet wurde? War es Zufall, dass das Genre des Historischen Romans nach Iny Lorentz arg in den Bereich der seichten Kitschliteratur abdriftete? Und da sind wir wieder bei dem Angebot, das so groß ist, wie selten zuvor, der Kunde aber doch den vierzigsten Vampirroman kauft, sowie der PC-Spieler das achtzigste Assassins Creed haben muss.

    Ich bitte um Entschuldigung für diese Textwand. ;-)

    1. Natürlich war mein Beitrag ein wenig provokant, aber es ging mir eher um das gejammer der verlage (nicht um den stationären Buchhandel). Seit Jahren beschweren sie sich über schwindende Käufe, aber machen sie stattdessen irgendwas anders als bisher? Nein! Man muss mit Veränderungen leben, sich ihnen anpassen und sich nicht einfach nur beschweren und Verluste beklagen. Und: wir wissen doch gar nicht, was die pot. Leser so im Internet schauen. Es gibt auch dort viele richtig gute Inhalte von YouTubern, Instagramern – genauso wie es halt 50 Shades of Grey und all die Bücher aus der Ecke gibt, die meiner Meinung nach auch nicht besonders viel zu Bildung beitragen aber den Verkauf von Kabelbindern ankurbeln :) Ja, der Sprachschatz, der wächst schon durchs Lesen, aber nicht jeder benötigt einen großen Sprachschatz bzw nicht jeder profitiert zwingendermaßen davon. Sprache ist wichtig, aber man kann auch in einfachen Worten große Dinge sagen :) Ich bin jedenfalls der Meinung, dass sich für Verlage nichts ändern wird, wenn sie nicht ernsthaft den Kunden und nicht das Produkt in den Mittelpunkt stellen.

  2. Ich frage mich gelegentlich ja auch, ob wir denn wirklich solche Exoten sind. Wenn man die Anzahl an Bücherblogs nimmt, scheint dem nicht so. Ok, der YA-Anteil ist dabei sehr hoch, aber ist es denn verwerflich, YA zu lesen? Da gibt es ja auch Gutes. Das sind ja in der Regel auch jüngere Bloggerinnen. Und Kitschliteratur gab es schon immer (wie man z. B. in Northanger Abbey mit seiner nach solcher Literatur süchtigen Protagonistin nachlesen kann). Ich für meinen Teil mag die klassischen Verlage durchaus. KiWi produziert zum Beispiel sehr schöne Bücher. Aber die deutschen Verlage hinken da zugegebenermaßen noch etwas hinter den englischsprachigen hinterher. Mit dem Preis ist es verzwickt. Netflix ist viel billiger, aber Kino, Restaurant &. co viel teurer. Ich selbst kann mir neue Bücher kaum mehr leisten und bin daher zu Medimops & co. abgewandert. Da muss meiner Meinung nach schon was passieren. Das mit den teuren Hardcovern ist auch in den USA ein Problem. Der Booktuber Steve Donoghue plädiert dafür, gleich zur Veröffentlichung hochwertige Taschenbücher herzustellen und die Hardcover nur in kleinen Auflagen für Liebhaber zu produzieren. Das halte ich für einen vernünftigen Vorschlag, aber ich habe die Vermutung, dass die Verlage nicht auf die Gewinne aus den teuren Hardcovern verzichten wollen.

    1. Ich denk mittlerweile auch mehrfach über einen Buchkauf nach, weil es immer teurer wird. dann hole ich die englische originalversion, wenn möglich, oder weiche auch auf Medimops aus – damit falle ich dann natürlich auch aus der Käuferstatistik. Ich bin mir auch nicht sicher, ob das Buch je wieder an Reiz zulegen wird. Das Internet ist nicht mehr wegzudenken (es sei denn, es wird kaputtreguliert), Kultur verändert sich. Es gibt so viele tolle Booktuber und ich frag mich immer wieder, wieso Verlage nicht auch ein wenig mit den Videoformaten experimentieren, um das Lesen wieder attraktiver zu machen. Stattdessen wirft man Rezensionsexemplare raus und hofft das Beste… ich wette, die Diskussion wird nächstes Jahr auf der Buchmesse erneut geführt und es wird sich wieder nichts verändert haben bis dahin…

      1. KiWi für seinen Teil hat einen YouTube-Kanal, nutzt ihn aber meiner Meinung nach nicht richtig. Da könnten auch die engllischen Verlage Vorbilder sein, Vintage oder Book Break von Pan MacMillan.

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