Rezension: „Cryptos“ von Ursula Poznanski

Titel: Cryptos
Autorin: Ursula Poznanski
Verlag: Loewe

Inhalt:
„Kerrybrook ist Janas Lieblingswelt: Ein idyllisches Fischerdorf mit viel Grün und geduckten Häuschen. Es gibt Schafe, gemütliche Pubs und vom Meer her weht ein kühler Wind. Manchmal lässt Jana es regnen. Meistens dann, wenn es an ihrem Arbeitsplatz mal wieder so heiß ist, dass man kaum mehr atmen kann.
Jana ist Weltendesignerin. An ihrer Designstation entstehen alternative Realitäten, die sich so echt anfühlen wie das reale Leben: Fantasyländer, Urzeitkontinente, längst zerstörte Städte. Aber dann passiert ausgerechnet in Kerrybrook, der friedlichsten Welt von allen, ein spektakuläres Verbrechen. Und Jana ist gezwungen zu handeln …“

Rezension

Ich bin großer Fan von Ursula Poznanski, deren Ideen – gerade im Jugendbuchbereich – immer wieder erfrischend zeitgemäß und interessant sind, da sie den Einsatz aktueller Technologien mit spannenden Geschichten verwebt.

Virtuelle Welten

Bewegten wir uns in „Erebos 1 und 2“ in einem Onlinespiel, so befinden wir uns nun in virtuellen Welten, die in der nicht allzu fernen Zukunft eine große Rolle für die Menschheit spielen, da das wahre Leben aufgrund von Umweltkatastrophen nicht mehr lebenswert ist.
Dieser Gedanke ist gar nicht so abwegig, auch wenn die Technologie, die die Autorin hier einsetzt, derzeit in diesem Umfang noch nicht existiert. Dennoch ist es ein glaubwürdiges Szenario, das sie hier entwirft.

Die Welten selbst, in denen man den Großteil der Zeit verbringt, werden von kreativen Menschen entworfen und bieten so ziemlich alles, was man sich vorstellen kann: Bildungswelten, Urlaubswelten, Vampirwelten, Fantasywelten,… wer würde sich dort nicht gern aufhalten?

Die Story

So schön die Umgebung auch ist, die Poznanski hier entwirft: Sie gibt dem Worldbuilding meiner Meinung nach zu viel Raum und beginnt erst spät (so ab der Hälfte des Buches) mit der eigentlichen Geschichte. Sicherlich gehört der erste Teil auch bereits dazu, aber das hätte sie durchaus kürzen können, ohne an Gehalt zu verlieren.

Im ersten Teil lernen wir also in erster Linie die virtuelle Welt kennen, versuchen, mit der Protagonistin ein Rätsel zu lösen und wissen nicht, wohin die Reise eigentlich geht.
Das wird erst im zweiten Teil klar, als der Spannungsbogen rapide steigt, neue Fakten vorgestellt werden und neue Figuren Einzug in die Story enthalten.

Ab hier beginnt der eigentliche Kern der Erzählung, hier erfahren wir mehr über die Probleme, die es mit dieser Art der menschlichen Existenz gibt und wie damit verfahren werden soll.

Die Figuren

Wir haben ein paar nette, sympathische Charaktere in diesem Buch, aber keinen greifbaren Bösewicht. Natürlich gibt es einen „Feind“, aber die gesamte Situation, in der dieser steckt, ist eigentlich zu komplex, um sie verständlich darzulegen. So erscheint auch schließlich der „Sieg“ der Guten über das Böse ein wenig unglaubwürdig und zu leicht. Aber nun gut, es ist ein Jugendbuch…

Die Protagonistin ist eher unscheinbar, zeigt ein wenig Persönlichkeitsentwicklung zum Ende hin, es fehlt ihr aber gerade im ersten Teil an einer Begleitfigur, die ihre Widersprüche herausstellt. Zwar gibt es einen Freund in der Realwelt, aber über ihn erfahren wir kaum etwas und er tritt auch nur selten in Erscheinung.

Dafür hat sie in der zweiten Hälfte umso mehr Verbündete und einer davon entwickelt sich sehr überraschend zu einer Romanze. Es fühlte sich ein wenig so an, als fühlte sich Poznanski verpflichtet, ein paar romantische Gefühle hier unterzubringen, aber wirklich gelungen ist ihr das nicht. Es wirkt „aufgesetzt“, passierte zu schnell und trug wenig zum Geschehen bei.

Mein Lesefazit

„Cryptos“ ist kein schlechtes Buch, gehört aber auch für mich nicht zu den besten Werken der Autorin. So interessant auch ihre Idee ist, sie leidet unter einigen Schwächen, über die ich beim Lesen nicht so einfach hinwegsehen konnte. Für mich war diese Geschichte zweigeteilt und begann erst nach der Hälfte.

Für Jugendliche sicher toll zu lesen, weil es viel Action gibt, ich empfand die Story aber eher als durchschnittlich.
Kann man an jüngere LeserInnen verschenken, muss man aber als Erwachsene/r nicht selbst lesen.

Rezension: „The Ballad of Songbirds and Snakes“ von Suzanne Collins

Titel: The Ballad of Songbirds and Snakes
Autorin: Suzanne Collins
Verlag: Scholastic Press
Übersetzung: Das Lied von Vogel und Schlange (Oetinger)

Inhalt:
„It is the morning of the reaping that will kick off the 10th annual Hunger Games. In the Capitol, 18-year-old Coriolanus Snow is preparing for his one shot at glory as a mentor in the Games. The once-mighty house of Snow has fallen on hard times, its fate hanging on the slender chance that Coriolanus will be able to out charm, outwit, and outmaneuver his fellow students to mentor the winning tribute.
The odds are against him. He’s been given the humiliating assignment of mentoring the female tribute from District 12, the lowest of the low. Their fates are now completely intertwined – every choice Coriolanus makes could lead to favor or failure, triumph or ruin. Inside the arena, it will be a fight to the death. Outside the arena, Coriolanus starts to feel for his doomed tribute… and must weigh his need to follow the rules against his desire to survive no matter what it takes.“

Rezension

Ich habe schon ein wenig mit mir ringen müssen, ob ich eine Vorgeschichte zu den Tributen von Panem überhaupt lesen möchte, da mich der letzte Band der Trilogie nicht so wirklich überzeugt hatte:
Doch letzten Endes konnte ich mich dem Sog nicht entziehen und bin sehr fro darum

— Achtung: kann Spoiler enthalten —

Die Hungerspiele

Wir befinden uns zu Beginn der Spiele, in der Zeit, als viele sich noch an den Krieg erinnern konnten und mit Verlusten und Erinnerungen leben mussten. So auch der Protagonist Coriolanus Snow, der beide Eltern verloren hat und sich langsam daran gewöhnen muss, ein ärmeres Leben zu führen, als er es einst gewohnt war.

Die Hungerspiele werden nicht zum ersten Mal ausgetragen, neu ist jedoch, dass nun Studenten involviert werden und als Mentoren für die Verurteilten dienen. Sie erhalten einen Blick hinter die Kulissen und lernen die Mechanismen der Spiele kennen – so auch unser Protagonist Snow.

Noch dient der Wettkampf eher der Unterhaltung des Kapitol, noch ist die Kulisse eher spartanisch und die Übertragung der Spiele in alle Distrikte lediglich ein Beiwerk und die Kandidaten sterben eher an den widrigen Umständen als während der Spiele selbst.

Coriolanus Snow

Viele LeserInnen sind sehr enttäuscht, dass sich diese Geschichte nicht so sehr an die Spiele anlehnt als vielmehr die Vorgeschichte der Person beleuchtet, die später als tyrannischer Präsident bekannt wird.

Ich finde diese Umsetzung jedoch genial.

Anhand des jungen Snow sehen wir, wir indoktriniert die Gesellschaft bereits ist, wie sehr man gerade denen, denen es besser geht, eingepflanzt hat, dass man nur mit Kontrolle und Gewalt Frieden bewahren könne.

Noch gibt es ein paar Menschen, die das nicht so sehen und auch Snow gerät immer wieder in Zweifel, dennoch siegt der eigene Überlebensinstinkt. Mal mehr mal weniger unbewusst manipuliert er die, die ihm nahe stehen, um seine eigene Existenz zu sichern, das Leben zu führen, das ihm für sich vorschwebt.

Schriftstellerisches Können

Suzanne Collins zeigt von den ersten Seiten an, dass sie eine begnadete Erzählerin ist, die auf viel Erfahrung zurückgreifen und LeserInnen in ihren Bann ziehen kann.

Anhand des jungen Snow und seinen ersten Schritten im Machtgefüge, zeigt Collins die Komplexität der Situation auf und spielt dabei gekonnt mit Gegensätzen. Da wäre die schillernde Lucy Grey, die trotz der Lebensgefahr, in der sie schwebt, das Publikum mit Lieder unterhält oder Snows bester Freund, der all dem nicht gewachsen ist und an der Brutalität des Staates zerbricht und sie unterbinden möchte, ohne die dafür notwendigen Mittel zu haben.

Auch wenn Snow keine sympatische Figur ist, können wir doch ein wenig erahnen, warum er zum Tyrannen wurde, dass auch außerhalb der Arena ein Überlebenskampf stattfand, den man nur gewinnen konnte, wenn man besser und brutaler wurde als alle anderen.

Mein Fazit

Dieses Buch hat mich positiv überrascht. Erwartet hatte ich eine actiongeladene Story mit viel Herzschmerz, aber ich bekam eine komplexe Erzählung, die zum Nachdenken anregt.

Zwar konnte ich nicht ganz die Verliebtheit zwischen Lucy Grey und Snow nachvollziehen, aber es störte mich im Gesamtbild auch nicht besonders.

„The Ballad of Songbirds and Snakes“ ist ein hervorragend geschriebener Roman, den ich absolut empfehlen kann!

Rezension: „Um 180 Grad“ von Julia C. Werner

grad Titel: Um 180 Grad
Autorin: Julia C. Werner
Verlag: Urachhaus

Vielen Dank an die Autorin und den Verlag für das Rezensionsexemplar.

Inhalt:
„Zum Davonlaufen findet Lennard die Besuche bei der schrulligen Frau Silberstein. Wenn die hübsche Lea nicht wäre, die er im Heim ab und zu trifft, hätte er sich schon längst verkrümelt. Doch dann erfährt er von dem Schicksal der alten Dame, die
die Hölle von Auschwitz überlebt hat.
Langsam entwickelt sich eine unerwartete Verbundenheit zwischen Frau Silberstein und Lennard. Dankbar hört sie zu, wenn er ihr aus Tschick vorliest und ihr damit die Welt der jungen Leute näherbringt. Mit der Zeit erzählt auch sie immer mehr von
ihrem Leben und ihren schrecklichen Erfahrungen im KZ. Lennard wird klar: Wenn er ihr nicht zuhört, tut es niemand mehr.
Ausserdem ist da noch das geklaute Handy, durch das Frau Silbersteins Kontakt zu ihren Angehörigen abgebrochen ist. Die Suche nach der Adresse erscheint aussichtslos, ebenso wie Lennards Bemühungen, Lea für sich zu gewinnen.
Doch dann ändert sich fast alles, und zwar um 180 Grad …“

Rezension

Auf dieses Buch wäre ich vermutlich nie aufmerksam geworden, hätte mich die Autorin nicht angeschrieben und mich gefragt, ob ich es gern rezensieren würde. Da ich weiß, dass es Neuerscheinungen gerade ziemlich schwer haben, weil Lesungen und andere Veranstaltungen  nicht stattfinden können, willigte ich gern ein.

Das Thema

Um es gleich vorweg zu sagen: es ist kein leichtes Thema, das in dieser Geschichte behandelt wird. Es geht um das Überleben des Holocaust und darum, was es bedeutet, alt, krank und allein zu sein.

Doch es ist keine Erzählung, vor der man sich fürchten muss. Der Autorin gelingt es, sehr liebevoll und behutsam einen Rahmen für diese schwierige Materie zu schaffen und sie in eine jugendgerechte Handlung zu verpacken.

Damals und Heute

Immer wieder wird uns beim Lesen der Gegensatz zwischen damals und heute vor Augen geführt – das Leben unter großen Entbehrungen und Schmerzen zu Kriegszeiten und das sorgenfreie und fast schon überfüllte Jetzt.

Doch klar wird auch, dass es Verbindungen und Gemeinsamkeiten zwischen diesen Epochen gibt: Mitmenschlichkeit, Nähe, das Füreinandersasein.

Mein Fazit

„Um 180 Grad“ ist ein leises, aber wichtiges Buch, das man vielen jungen LeserInnen in die Hand geben sollte – allerdings nicht, ohne anschließend darüber zu sprechen. Man muss über diese Geschichte reden, über das, was damals passiert ist und darüber, wie man heutzutage mit diesem Wissen umgehen sollte.

Ich kann es wirklich sehr empfehlen.

Weitere Informationen

Laut Buchcover gehen 10% des Erlöses an die „Amadeu Antonio Stiftung“, die sich gegen Rechtsextremismus, Rassismus und jede Form von Antisemitismus wendet.

Außerdem kann man auf YouTube der Autorin beim Vorlesen aus ihrem Buch lauschen.

Rezension: „The Ten Thousand Doors of January“ von Alix E. Harrow

doors-buch.jpg Titel: The Ten Thousand Doors of January
Autorin: Alix E. Harrow
Verlag: Redhook

Inhalt:
„In a sprawling mansion filled with peculiar treasures, January Scaller is a curiosity herself. As the ward of the wealthy Mr. Locke, she feels little different from the artifacts that decorate the halls: carefully maintained, largely ignored, and utterly out of place.
Then she finds a strange book. A book that carries the scent of other worlds, and tells a tale of secret doors, of love, adventure and danger. Each page turn reveals impossible truths about the world and January discovers a story increasingly entwined with her own.“

Rezension

„The Ten Thousand Doors of January“ begegnete mir letztes Jahr immer wieder auf Booktube. Die einen waren begeistert, die anderen eher nicht, und ich wurde neugierig.

Die Aufmachung

Zunächst muss ich ein paar Worte zur Aufmachung loswerden. Das Cover ist optisch und haptisch wirklich gelungen. Aber was ich richtig toll finde: Das Buch hat einen Büttenrand, im Englischen bekannt als „deckled edges“, also einen ungleichmäßigen Schnitt der Buchseiten. Ich freue mich immer ganz besonders, wenn ich ein solches Druckwerk in den Händen halten kann.

Die Geschichte

Es ist eine sehr außergewöhnliche Geschichte, die die Autorin hier entworfen hat. Ein wenig erinnerte sie mich an „Alice im Wunderland“, andere LeserInnen vergleichen sie mit der Wayward-Children-Serie von Seanan McGuire. Ein Mädchen, das anders aussieht als alle, um sie herum, erfährt eines Tages davon, dass es Türe in andere Welten gibt und sie begibt sich auf die Suche nach der Tür, die sie zu ihren Eltern führen wird. Wäre es nicht grandios, wenn solche Türen wirklich existieren würden? Wenn es so viel mehr zu entdecken gäbe, als wir es je für möglich hielten? Ich liebe solche Gedankenspiele und war sofort fasziniert von der Prämisse.

Der Schreibstil

Alix E. Harrow versteht es, sehr märchenhaft und liebevoll zu erzählen. Auch wenn es eine eher langsame Story ist, so vermag sie es doch, die LeserInnen mit Rätseln und interessanten Figuren im Bann zu halten. Man wird regelrecht hineingesogen ins Geschehen und möchte auch gar nicht mehr daraus auftauchen.
Für einen Debütroman ist das eine sehr beeindruckende Leistung.

Die Charaktere

January ist zunächst ein sehr schüchternes Kind, das gelernt hatte, brav zu sein. Doch je älter sie wird und je mehr sie von ihrer Umwelt mitbekommt und versteht, umso selbstsicherer und mutiger wird sie. Es macht Spaß, ihrer Entwicklung zuzuschauen, auch wenn die so manches Mal sehr schmerzhaft ist.
Ach die anderen Figuren haben ihre Besonderheiten, ihre guten und schlechten Seiten. Es gibt wirklich keinen Charakter, der mir nicht gefallen hätte. Selbst die Bösewichte waren mehrschichtig und nicht einfach nur per se böse.

Fazit

Ich habe „The Ten Thousand Doors auf January“ sehr genossen und mir ganz viel Zeit dafür gelassen. Es ist eine magische, märchenhafte Geschichte, die man genießen sollte und die Fans von „Portal Fantasy“ lieben werden.
Wirklich, wirklich empfehlenswert!

Rezension: „Dry“ von Neal Shusterman, Jarrod Shusterman

dry-buch.jpg Titel: Dry
Autoren: Neal Shusterman, Jarrod Shusterman
Verlag: Simon & Schuster Books for Young Readers
Übersetzung: „Dry“ (Fischer Sauerländer)

Inhalt:
„When the California drought escalates to catastrophic proportions, one teen is forced to make life and death decisions for her family in this harrowing story of survival,
The drought—or the Tap-Out, as everyone calls it—has been going on for a while now. Everyone’s lives have become an endless list of don’ts: don’t water the lawn, don’t fill up your pool, don’t take long showers.
Until the taps run dry.
Suddenly, Alyssa’s quiet suburban street spirals into a warzone of desperation; neighbors and families turned against each other on the hunt for water. And when her parents don’t return and her life—and the life of her brother—is threatened, Alyssa has to make impossible choices if she’s going to survive.“

Rezension

Die Bücher von Neal Shusterman sind für mich immer ein wenig eine Glückssache: Einige wie die ersten beiden Scythebände gefallen mir, andere wie das erste Buch aus der Unwind-Serie find ich eher „meh“.
„Dry“ hatte ich zufällig in der örtlichen Bibliothek entdeckt, was die Entscheidung, es zu lesen, recht einfach machte.

Charaktere

Da es sich um ein Jugendbuch handelt, erleben wir die Katastrophe aus Sicht von vier Jugendlichen und einem Kind mit unterschiedlichen Lebenshintergründen.
Alyssa und Garrett gehören zu den durchschnittlichen Familien: Sie sind sich der Gefahr bewusst, haben aber nicht vorausschauend gehandelt.
Keltons Eltern wiederum gehören zu den sogenannten „Preppern“, zu Menschen, die jederzeit mit dem Weltuntergang rechnen und entsprechend darauf vorbereitet sind.
Henrys Vater scheint ein großes Tier und ein erfolgreicher Geschäftsmann zu sein, der seinem Sohn schon früh das Handeln mit Gütern beigebracht hat.
Jacqui ihrerseits ist Einzelgängerin und hat sich bislang mehr oder minder erfolgreich selbst durchs Leben geschlagen.

Egal wie sehr sie sich der Situation gewachsen sehen oder nicht – sie alle müssen lernen, dass in einer Situation, in der es um das reine Überleben geht, Menschen zu Monstern werden können und die Instinkte den Verstand irgendwann überlegen sind.

Setting

Shusterman kreiert mit einer Wasserknappheit, die für alle absehbar war, aber viel zu lange ignoriert wurde, ein sehr bedrohliches, aber dennoch sehr realistisches Szenario. Unsere Umwelt, wie wir sie kennen, steht auf der Kippe, wir alle lesen täglich vom Klimawandel, doch selbst die Warnung der Wissenschaftler, die das Phänomen schon seit Jahren beobachten, findet kein Gehör. Wir nehmen es als eine weitere Schreckensnachricht unter vielen wahr und ignorieren sie ansonsten.

Doch was passiert, wenn unser Leben tatsächlich auf dem Spiel steht? Werden wirklich die meisten Leute zu egoistischen Ungeheuern oder lernen sie, zusammen zu arbeiten, um sich gemeinsam aus der Lage irgendwie zu befreien?
Wünschenswert wäre natürlich Letzteres, aber ich befürchte, wir werden merken, dass der Überlebenswille grausam sein kann.

Leseerlebnis

Ich fand diese Erzählung unglaublich bedrückend. Sicherlich war sie stellenweise sehr abenteuerlich, bewegte sich aber immer sehr nah an dem, was wirklich denkbar wäre unter solchen Voraussetzungen. Ein paar Mal hat Shusterman mich eiskalt erwischt, indem er ziemlich überraschend und brutal die Situation extrem zuspitzte.

„Dry“ hat mich sehr beeindruckt und mir einmal mehr bewusst gemacht, wie nah wir uns am Abgrund unserer Geschichte befinden und das wir das, was wir noch haben, schützen und bewahren sollten. Absolut empfehlenswert.

„A Good Girl’s Guide to Murder“ von Holly Jackson

40916679. sy475 Titel: A Good Girl’s Guide to Murder
Autorin: Holly Jackson
Verlag: Electric Monkey

Inhalt:
„The case is closed. Five years ago, schoolgirl Andie Bell was murdered by Sal Singh. The police know he did it. Everyone in town knows he did it.
But having grown up in the same small town that was consumed by the murder, Pippa Fitz-Amobi isn’t so sure. When she chooses the case as the topic for her final year project, she starts to uncover secrets that someone in town desperately wants to stay hidden. And if the real killer is still out there, how far will they go to keep Pip from the truth?“

Meinung:
YA-Crime oder YA-Thriller sind Genres, zu denen ich eher selten greife, doch hin und wieder lasse ich mich von begeisterten Meinungen anderer anstecken und bin Buchlemming: So geschehen auch mit „A Good Girl’s Guide to Murder“, über das ich auf einigen Kanälen nur Gutes gehört hatte.

Die Geschichte wechselt zwischen Interviews und Gedankennotizen der Protagonistin einerseits und aktuellen Erlebnissen andererseits. Das bringt viel Abwechslung in die Story und sorgt für Spannung.
Der Autorin gelingt es auf diese Weise, die Lösung sehr lang im Dunkeln zu halten. Ab der Hälfte dachte ich zwar, ich wüsste, wer Andie ermordet hatte, aber es stellte sich als nur ein Teil der ganzen Wahrheit heraus, was auch dafür sorgte, dass mir das Buch immer besser gefiel.

Ausgesprochen gut gefallen hat mir, dass Jackson nicht nur einfach einen Kriminalfall schildert. Wir sehen auch, wie es zu all dem kommen konnte, wie oft man sich eine Meinung über einen Menschen bildet, ohne die Hintergründe zu kennen, einen Blick hinter die Fassaden werfen zu können und dass ein ganzer Ort lieber die Augen vor den dunklen Seiten schließt, statt sich den Tatsachen zu stellen und etwas zu verändern. Wir bekommen eine Ahnung für die zwischenmenschliche Dynamik, die ein tragisches Ereignis auslösen kann. Menschen werden vorschnell verurteilt, ihr Leben wird zerstört, Geheimnisse werden jahrelang gehütet.

Es gab zwar hin und wieder Stellen im Buch, die ich ein wenig überzogen fand, aber wirklich gestört haben sie mich nicht. Man sollte sich auch im Klaren darüber sein, dass einige Schilderungen sehr intensiv sind, insbesondere wenn es um die Tat geht. Ich würde sie als „ein wenig blutig und sehr emotional“ bezeichnen, aber sie sind stimmig und nicht nur für den Gänsehauteffekt geschrieben.
Eine weitere Warnung für diejenigen, die da ein wenig empfindsam sind: Es kommt ein Tier zu Schaden.

„A Good Girl’s Guide to Murder“ hat mich sehr gut unterhalten. Ich freue mich schon auf die Fortsetzung, die im April erscheinen soll.